Gestern habe ich, wie man anhand des Titels unschwer erkennen kann, "Tiere" von Simon Beckett durchgelesen. Becketts David-Hunter Reihe mochte ich sehr gerne, daher habe ich mit Freude dieses Buch als mein erstes E-Book für mein Handy ausgesucht. Mit enttäuschendem Ergebnis.
Es ist kein Geheimnis, dass sich Beckett gerne des ein oder anderen Klischees in seinen Büchern bedient, dies allerdings stets raffiniert und teilweise so aufpoliert, dass der aufmerksame Leser eher ins Schmunzeln kommt, als gleich die Stirn zu runzeln. Hier allerdings haben wir ein Werk, das überquillt vor Vorhersehbarkeit. Wäre es nicht durch die Ich-Perspektive des Erzählers interessant geschrieben, hätte ich sicher ab dem Moment, in dem das Buch den Leser gnadenlos enttäuscht, die "delete"-Taste gesucht.
Mit Nigel präsentiert uns der Autor einen leicht - das ist selbstverständlich nicht wertend oder gar beleidigend gemeint - zurückgebliebenen jungen Mann, der nach deren Tod alleine in dem geschlossenen Pub seiner Eltern lebt und in einer größeren Firma der Stadt als "Laufbursche" oder auch "Kopierjunge" arbeitet. Die Stadt, in der er lebt oder aber das Jahr werden nicht genannt, doch es scheint zu Zeiten einer großen Wirtschaftskrise zu sein, da er beschreibt, wie immer mehr Unternehmen schließen mussten und nun abgerissen wurden oder leerstehen. Nigel kann Dank Fast Food bzw. Tiefkühlkost trotz seiner offensichtlichen Behinderung gut für sich selbst sorgen und erzählt dem Leser auch gerne und viel von seinem Leben, sodass man den Eindruck bekommt, er sei ein normaler Junge, nur eben ein wenig langsam und vielleicht noch in einem pubatären Entwicklungsstadium.Er verbringt an der Arbeit viel Zeit mit den Frauen Karen und Cheryl, wobei er sich in letztere sogar ein wenig verguckt hat, da sie immer netter zu ihm war, als die anderen in dem Unternehmen.
Doch wenn er nachhause geht, warten dort seine "Tiere" auf ihre Fütterung. Diese werden mit "es" von ihm angesprochen und haben Namen wie: "Das Dicke", "Das Alte"... Es handelt sich dabei um Menschen. Doch nicht solche, wie Nigel sie gerne hätte, sondern Obdachlose, Prostituierte, Trinker... sprich, Menschen, die in seinen Augen nichts wert sind. Er lockt sie mit Alkohol oder Geld in sein Haus und betäubt diese mit Schmerzmitteln. Danach werden sie in seinem großen Keller in so genannten Abteilen eingeschlossen und täglich gefüttert. Nigel selbst empfindet sie als Abschaum und doch spielt er gerne Kinderspiele mit ihnen, bis er eine Prostituierte, "das Rothaarige", dazu bekommt, die sich nicht so fügen will, wie er es gerne hätte.
Bis hier war die Idee sehr gut und auch, dass er nichts Sexuelles mit den "Tieren" treibt, sondern eher wie ein Kind mit ihnen spielt. Doch schon hier fängt die Glaubhaftigkeit der Geschichte an zu bröckeln. So haben sich, bis auf das jüngste Mitglied in dem unterirdischen Gefängnis, alle Insassen aus Angst vor ihm gefügt. Warum, ist unklar, da man nie erfährt, was er ihnen angetan hat. Nach der Fütterung mit Hundefutter und Wasser und einem gelegentlichen Spiel verschwindet er dann wieder und seine "Tiere" werden ruhig.
Auch das Wochenende, an dem das ganze Buch spielt, verläuft recht ereignislos. Eigentlich hört sich der Leser nur die Kindheit Nigels an und begleitet ihn bei alltäglichen Dingen. Von dem hoffnungsvollen Traum des Pubs, bevor die Krise die Unternehmen und Fabriken im Umkreis erreicht hat, über die religiöse Mutter, die Sittenwidrigkeiten, wie z. B. das vom Vater geschenkte Pornoheft verabscheut und streng bestraft, über den Rückgang der Kunden und die Trunkenheit des Vaters, der dann nach der Sperrstunde geschlossene Veranstaltungen abhält, bei denen auch Stripperinnen auftreten, über die Streitigkeiten über die "Normalität" Nigels bis hin zum tragischen Tod des Vaters und der Verbitterung der Mutter bedient der Autor so ziemlich jedes Klischee, welches einem zu der Figur Nigel schon zuvor einfällt. Selbst die Verschlossenheit gegenüber Sexualität und die Scham, die auch von der Mutter gepredigt wurden, sind mehr als nur typisch und so plump dargestellt, dass einem jeglicher Lesespaß genommen wird.
Mit dieser kurzen Zusammenfassung habe ich jetzt schon beinahe die Hälfte des Buches vorweg genommen, doch viel mehr passiert leider auch nicht. Den Rest werde ich nun kopfschüttelnd für mich behalten, falls doch noch jemand dieses Buch lesen möchte.
Das Buch war eines der ersten Werke Becketts und daher möchte ich noch mal ein Auge zudrücken. Schließlich hat er dieses hier Jahre vor seiner sehr guten David-Hunter-Reihe geschrieben und sicherlich ist aller Anfang schwer, vor allem für einen jungen Autor. So kann ich abschließend nur sagen, dass das Konzept mehr potenzial hatte, als dann tatsächlich umgesetzt wurden.